„So gesund habe ich mich lange nicht gefühlt“
Enthaltsam leben? Geht gar nicht, glaubte unsere Autorin Claudia Reshöft. Doch dann startete sie eine Basen-Kur. Mit überraschender Wirkung: keine Schmerzen mehr!
Eines mal gleich vorweg: Essen und Kochen sind meine Leidenschaft. Deshalb kam Fasten für mich nie infrage. Auch wenn ich denen, die ihren Körper regelmäßig entschlacken und auf den euphorisierenden Effekt schwören, jedes Wort geglaubt habe. O-Ton: „Der Kopf wird klar. Du könntest Bäume ausreißen!“ Aber ich, aufs Essen verzichten? Geht gar nicht! Trotzdem trenne ich mich von allen lieb gewonnenen Gaumenfreuden: Latte macchiato (4 pro Tag), Käse (morgens, mittags, abends, weil ich keine Wurst mehr esse), Brot und Pasta (eigentlich immer). Warum ich mir das antue? Weil ich meine Gelenkprobleme in den letzten drei Wochen nur noch mit Schmerzmitteln im Griff behalten konnte. Kein Arzt hilft, also helfe ich mir selbst: Mit Gleichgesinnten will ich basenfasten, also nur überschaubare Portionen an Gemüse, Obst, Körnern und Keimlingen zu mir nehmen. Ist ja nur für eine Woche. Soll ja helfen … na, dann!
Am Tag davor: Mich packt Panik!
Was, wenn ich schon den ersten Tag vor Hunger nicht überstehe? Statt einen Entlastungstag einzuplanen, baue ich vor, trinke 6 Latte macchiato, lege extradick Käse aufs Weißmehlbrötchen. Später treffe ich in der Naturheilpraxis Sabine List in Grömitz meine Fastengruppe zur Vorbesprechung. Mit mir werden lauter Unerfahrene fasten – zum Glück: Danilo und Zora (mit Hund Jimmy) und Jutta (mit Hündin Paula). Sabine List (mit Hündin Nelly) leitet uns an. Die Ernährungsspezialistin Heike Werdin (ohne Hund) wird für unser leibliches Wohl sorgen. Und die Yogalehrerin Claudia Siems wird uns in Bewegung bringen. Nach der Vorstellungsrunde gönne ich mir ein Drei-Gänge-Menü (was ich sonst nie schaffe), denn wer weiß, wann ich wieder was zu essen kriege! Um 22 Uhr bin ich zu Hause, nehme das Glaubersalz, um abzuführen, warte noch zwei Stunden, ob die Wirkung einsetzt – vergeblich.
Tag 1: Schmerz, lass nach!
Ich will das hier nicht näher ausführen, aber die Nacht war unruhig, weil das Glaubersalz ein paar Stunden brauchte, um seine Wirkung zu entfalten. Sabine List empfängt uns um 8.30 Uhr unverschämt gut gelaunt zum Frühsport mit Gesundheitstrainierin Antje Hinz. Unsere Fastentruppe ist gezeichnet vom nächtlichen Darmreinigungsprozess. Antje reicht jedem von uns ein Paar phosphorgrüne Ringe, sogenannte Smoveys. Das sind zusammengesteckte Schläuche, in denen Stahlkugeln laufen. Wir walken mit den Smoveys in der Hand los, lassen dabei die Arme schwingen, die Kugeln rollen durch die Schläuche. Die Vibration spüre ich im ganzen Körper. „Das ist Tiefenmuskulatur- Training“, sagt Antje. Fühlt sich gut an. Am Strand lassen wir die Smoveys kreisen. Die Bewegung tut gut, das steht fest. Aber mein Magen, der mittlerweile genauso leer ist wie mein Darm, ist Richtung Kniekehlen gewandert. Ich freue mich aufs Frühstück: ein bunter Obstteller mit Goldkeimlingen, Erdmandel und Leinöl. Die Menge passt gerade mal eben in anderthalb meiner schmerzenden Hände. Zudem zieht heftiger Kopfschmerz auf: „Das Resultat des Koffein-Entzugs. In zwei Tagen ist das vorbei“, verspricht Sabine. Irgendwie bringe ich die nächsten Stunden hinter mich. Ich bin müde, aber trotz der kleinen Portion nicht wirklich hungrig. Mittags knabbere ich fünf Mandeln und eine Trockenfeige. Mein Kopf pocht, in Händen und Füßen ziept es. Ich schlafe eine Runde und nehme ein Basenbad, das den Entsäuerungsprozess vorantreiben soll. Um 16 Uhr schleppe ich mich zur Wanderrunde. So richtig fit sind wir alle nicht, dafür sind unsere Hunde mittlerweile ein eingespieltes Team. Unsere Laune steigt vorübergehend, als Heike um 17.30 Uhr das Abendessen serviert: ein warmes Möhrenküchlein mit Rosinen und Sonnenblumenkernen, danach gibt es gestovte Kartoffeln mit geschmorten Champignons und Zuckerschoten. Meine Befürchtung, ich könnte verhungern, stellt sich als unbegründet heraus. Lange habe ich nicht mehr so lecker gegessen.
Tag 2: Die Erste macht schlapp
Der Kopfschmerz lässt nach. Und – ich will nichts beschwören – meine Gelenke tun nicht mehr so weh wie sonst. Schon am zweiten Tag? Das kann eigentlich nicht sein. Zora schwächelt. Sie bleibt heute im Bett. Beim Frühsport steht eine Stunde Walken an. Aber energisches Voranschreiten sieht vermutlich anders aus. Wir sind müde, kraftlos und bremsen die fastenerfahrene Sabine aus. Heike, unsere Kochfee, überrascht uns mit einem liebevoll garnierten Obst-Smiley. Zum Mittag esse ich zwei gedämpfte Kartoffeln mit etwas Leinöl, die machen ähnlich glücklich wie Nudeln. Ich stelle fest: Ich vermisse nichts, nicht einmal mehr den Kaffee am Morgen. Ich setze mich, ein wenig frischer als gestern, an den Schreibtisch. Um 16 Uhr treffen wir uns wieder, wir dehnen und recken uns. „Stellt euch vor, ihr seid Frühblüher und streckt euch der Sonne entgegen“, so schön hat Claudia das gesagt. Zum frühen Abendessen gibt es lauwarmen Kohlrabisalat mit Mandeln und Kartoffelklops auf Fenchelgemüse. Lecker! Beim Einschlummern stelle ich fest: Meine rechte Hand … sie schmerzt erstmals seit Wochen nicht mehr – ganz ohne Medikamente.
Tag 3: Der Durchbruch
Erfrischt bin ich aufgewacht. Auch Zora ist wieder auferstanden. Treffen um 8.15 Uhr zum Yoga an Sabines Hausberg. Der entpuppt sich als gerade mal zehn Meter hohe Erhebung. Macht aber nix. Statt auf die Ostsee gucken wir heute über Felder und alte Eichen. Die Bewegungen fallen leicht, ich könnte Bäume ausreißen. Heike kredenzt wieder den Obstteller mit der Variation Kumquat-Kiwi. Lecker! Mittags zieht ein kleines Formtief auf, schlafen kann ich aber auch nicht so recht. Die Spazierrunde am Nachmittag geht flott voran und dauert länger als geplant. Zum Abendessen serviert Heike Blumenkohl mit gedünstetem Wirsing und Tomatensoße. Das soll schmecken? Und wie!
Tag 4: Energie pur!
Ich fasse es nicht: Mein Kopf ist total klar, Gelenk- und Gliederschmerzen passé, meine Haut fühlt sich fantastisch an, weicher als sonst. Heute laufen wir bei Sonnenschein die Steilküste entlang. Die Stimmung steigt weiter. Trotz strammen Schrittes plaudern wir, schmieden Zukunftspläne. Am Abend gibt es eine fruchtige Tomatensuppe, danach Spargelkohl mit Fenchel im Wirsingbett. Fenchel war einst eine Zumutung für mich – und jetzt liebe ich ihn.
Tag 5: Leider schon vorbei
Unser letzter Tag bricht an. So geordnet waren meine Gedanken lange nicht mehr. Zum Abschluss kommen Antje und ihre Smoveys noch mal zum Einsatz. Es sieht danach aus, als hätte ich Sportmuffel in diesen paar Tagen nicht nur Muskeln aufgebaut, sondern wäre auch noch von meinen Schmerzen befreit. Und nebenbei habe ich auch noch 2,7 Kilo verloren. Deshalb lasse ich mir die Antipasti-Platte an unserem Abschlussabend richtig schmecken: mit Kartoffeln gefüllte Champignons, Zuckerschoten, Rote Bete mit Sonnenblumenkernen – unglaublich lecker und so gesund.
Trotzdem: Ich freue mich riesig auf meinen ersten Latte macchiato.
Eine Woche später
Fastenleiterin Sabine List (www.naturheilpraxis-sabinelist.de) hat uns die 80:20-Regel ans Herz gelegt, um auch künftig gesünder zu bleiben. Mich basisch zu ernähren fällt mir leicht, auch wegen der köstlichen Rezepte von Heike Werdin. Und ich besuche jetzt regelmäßig den Kundalini-Yoga-Kurs bei Claudia Siems (www.claudia-siems.com). Käse esse ich wieder, wenn auch in Maßen. Mit dem ersten Latte macchiato nach der Fastenkur ging es mir allerdings ein bisschen wie mit der ersten Zigarette. Er hat mir nicht wirklich geschmeckt. Aber das Beste ist: Meine Schmerzen sind weg!
Quelle: Frauenzeitschirt Tina / Claudia Reshöft